...blicken wir zurück auf die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte. Wie haben wir die Klimakrise überwunden? Was haben wir an unserem beschleunigten Alltag verändert? Wie haben wir wieder einen Zugang zur Politik gefunden? Was hat sich in unserem Wirtschaftssystem gewandelt? Wir, Linda und Louisa, laden ein zur Ausstellung: Transformation ins goldene Resonanz-Zeitalter – Ein Rückblick
Im Jahr 2040
Das goldene Resonanz-Zeitalter
– Ein Rückblick
Die mobile Ausstellung blickt zurück aus der Perspektive des Jahres 2040 ins Jahr 2020. Sie zeigt die drei Hauptkrisen dieser Zeit: Die demokratische Krise, die ökologische Krise und die psychologische Krise und wie diese überwunden wurden. Anhand von Objekten, Filmen, Audioaufnahmen, Infografiken, Texten und Zitaten werden die BesucherInnen motiviert, sich ihre eigene Zukunft wieder zu erträumen.
Hier startet die virtuelle Ausstellung
Acht Krisen
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Wenn wir 2,5 t CO2 pro Jahr ausstoßen und 80 Jahre alt werden, haben wir unser Lebenskontingent von 200 t verbraucht. Diesen Wert hatten wir mit 24 Jahren schon weit überschritten. Unser Lebensstil war nicht enkeltauglich, denn wir hatten uns daran gewöhnt extrem mobil zu sein. Lange war uns nicht klar, wie katastrophal die Folgen des Fliegens sind: Dass es sogar einen noch größeren Einfluss auf die eigenen CO2-Bilanz hat, als tierische Ernährung. Dass der erhöhte CO2 Ausstoß das Klima erwärmt und so Hitzewellen, Wasserknappheit, Überschwemmungen, ein Kampf um Ressourcen, das sechste Massensterben unzählbarer Tierarten entstehen. Nur weil wir mit dem Flieger schneller von Frankfurt nach Rom kommen.
Die soziale Marktwirtschaft brachte uns Wohlstand. Wir fanden Jobs, wir verdienten Geld, wir konnten uns etwas leisten. Unsere Omas erzählten, dass die Massenproduktion von buntem Plastik nach dem grauen Krieg wieder Farbe in ihren Alltag brachte. Gleichzeitig stieg der Konkurrenzdruck, das Modell des “ökonomischen Menschen” wurde erfunden. Die effiziente Arbeitsteilung entfremdete uns von unserer Arbeit. Der sozial verträgliche Kapitalismus entwickelte sich in eine Fantasie des ewigen Wachstums. Um mithalten zu können, mussten wir besser werden - in allem. Was das für unseren Alltag bedeutete, beschreibt der Soziologe Hartmut Rosa so: »Handle jederzeit so, dass deine Weltreichweite größer wird.«
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Eine größere Weltreichweite bedeutete so viel wie: mehr Geld, mehr Arbeit, mehr Schuhe, mehr Shirts, mehr Informationen, mehr Likes, mehr Fähigkeiten, mehr Wissen, mehr Reisen, mehr Feiern, mehr Sport, mehr Achtsamkeit, mehr Selfcare, mehr Entertainment, mehr Engagement. Mehr Stress. Zu viel Arbeit, zu viel Haushalt, zu viel Zeug. Und keine Zeit mehr für das, was wir eigentlich wollen. Wir wussten schon gar nicht mehr, was das überhaupt war. Wir fühlten uns machtlos, gehetzt, einsam, ungehört, der Welt ausgesetzt.
Es ist schwer zu erklären, wieso wir glaubten, es gäbe ewiges Wachstum. Dieser Mythos hielt sich noch bis Ende der 20er Jahre in unseren Köpfen, denn unser gesamtes Wirtschaftssystem basierte darauf. In unseren Vorstellungen gab es nur entweder Kapitalismus oder Kommunismus. Da erschien Kapitalismus als die sicherere Lösung für ökonomischen Wohlstand. Im Wachstumsglauben benutzen wir unüberlegt endliche Ressourcen wie Erdöl zum Heizen, Fahren und für Einmalprodukte wie Plastikgeschirr, Tüten oder kleine Parrafinkerzen in Aluminiumbehältern.
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1968 veröffentlichte der Club of Rome den Bericht “Die Grenzen des Wachstums”. Die Diskussion um eine nachhaltigere Zukunft der Menschheit brach aus. Je mehr Jahre vergingen, desto dichter wurde die Faktenlage und desto schwieriger und spärlicher der Diskurs. Die Menschheit wanderte auf einem konsequenten Pfad in Richtung Klimakrise. 1982 wussten Firmen wie ExxonMobil, ein US-amerikanischer Mineralölkonzern bereits, welche Folgen es haben würde, weiterhin fossile Rohstoffe zu verbrennen - so als seien sie unendlich. Die Endlichkeit der Erde und die Folgen ihrer Vernutzung wurden trotzdem bis 2020 weitgehend ignoriert. Zu groß waren die wirtschaftlichen Interessen, die mit dem Glauben an ewiges Wachstum zusammen hingen.
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Der Markt durfte niemals gesättigt werden, denn was verkauft eine UnternehmerIn, wenn alle schon haben, was sie brauchen? Kundendienste wurden der verlängerte Arm des Vertriebs, sie bestellten einfach Neuware, statt Vorhandenes zu reparieren. Es wurde bewusst geplant, dass Glühbirnen aufhören zu leuchten, und Drucker aufhören zu drucken. Unternehmen hafteten nicht für ihren Müll und verschifften ihn in ferne Länder. Lange gab es keine CO2-Steuer, sodass in profitableren Ländern produziert wurde, um die Waren dann billig über den Kontinent zu jagen. Produkte wurden verklebt und kompliziert verschraubt, Kleidung aus anfälligen, synthetischen Stoffen hergestellt. Nach ein paar Monaten war es Zeit für etwas Neues.
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Die alltägliche Beschleunigung war zu schnell für unsere Demokratie. Sie erschien uns langsam, zäh und gelähmt - nicht mehr als eine rechtlich, administrative Verwalterin. Probleme wurden zu spät erkannt, es gab keinen Gestaltungsspielraum, keine Alternativen. Wir fühlten uns vom Versprechen der Demokratie enttäuscht. PolitikerInnen und BürgerInnen standen sich gegenüber, wir arbeiteten nicht gemeinsam an der Gestaltung unserer Zukunft. Die einen erstarrten unter Sach- und Zeitzwängen, die anderen standen da, ungehört und verlassen.
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Rasend hetzten wir durch unser Leben. Rast-und ruhelos, keine Zeit blieb mehr zum Verweilen. Wir wurden schneller, effizienter, produktiver, doch kamen wir trotzdem an das Ende unserer Kräfte. Alles Aufputschende und Aufpeitschende war uns willkommen. Wir wollten immer besser werden, uns immer mehr steigern. Der Raubbau am eigenen Körper wurde ein geduldetes Übel, um mit dem Puls der Welt mitzuhalten. Wir bestellten, was uns Energie gab – aber zum Mitnehmen bitte.
Acht Transformationen
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Mit der Zeit haben wir gelernt, mehr auf unseren Gesamt-CO2-Ausstoß zu achten. Dabei geholfen haben beispielsweise Firmen wie Doconomy. Eine 2018 in Schweden gegründete Firma, die zwei Kreditkarten herstellt: Die weiße Kreditkarte trackt, misst und kompensiert den persönlichen CO2 Fußabdruck täglich. Die schwarze Karte enthielt als erste Kreditkarte weltweit das CO2 Emissonslimit, sodass Käufe oberhalb des CO2 Limits nicht abgewickelt werden können. Wir haben gelernt, dass ein CO2 Ablasshandel nicht funktionieren kann und wir unsere Gesamtbilanz bezüglich Mobilität, Ernährung, Heizung, Strom und sonstigem Konsum im Blick halten müssen.
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt und unseren Einkommen, hätten wir so glücklich wie nie zuvor sein müssen. Waren wir aber nicht. Forderungen nach flexiblen Arbeitszeitmodellen und Vereinbarkeiten von Beruf und Freizeit wurden lauter. Die Messung des Wohlstandes wurde dann nicht mehr einzig an ökonomischen Zahlen festgemacht, sondern erweitert: Kategorien wie Zeitwohlstand, Gemeinsinn, Umwelt, Zivilengagement oder Work-Life-Balance kamen dazu. Unser Verständnis von Wohlstand wandelte sich langsam.
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Unseren eigenen Hyperkonsum konnten wir mäßigen, als wir begannen uns unseren Dingen wieder anzunehmen – indem wir darüber nachdachten, was wir benutzen. Wieso war dieser eine Gegenstand so viel wichtiger als ein anderer? Wieso ist der eine von Patina überzogen, der andere nur dekoratives Beiwerk inmitten vieler? Wir stellten Objekte selbst her. Wir haben uns Notizbücher anverwandelt, die anfangs leblos und leer waren. Wir haben Teekannen benutzt, Pflanzen gehegt, Hölzer gesägt, Filmdosen eingesetzt, Neoprenschuhe trocknen lassen, Brotrezepte verkleckert. Wir haben uns unsere Welt und ihre Dinge anverwandelt. Wie sieht eure aus?
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In der Flut der Aufmerksamkeit-Gierenden wurden Adblocker unsere digitalen Schutzschilde. Um Werbung zu vermeiden fingen wir an, für zuvor kostenfreie Inhalte zu bezahlen. Beispielsweise für den Mailaccount bei Posteo, für Journalismus bei Perspective Daily oder für werbefreies Hören bei Spotify. Zuvor bezahlten wir mit unseren Daten, mit uns als Plattform ihres psychografischen Targeting, jetzt gaben wir dafür lieber Geld aus. Wir versuchten uns, von Sale–Fashionplakaten nicht manipulieren zu lassen, und kauften stattdessen in Vintageläden oder über die Secondhandplattform Kleiderkreisel ein.
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Blicken wir zurück, sehen wir, wie sich unsere mentalen Infrastrukturen und unser Handeln verändert haben. Völkerrechtliche Vereinbarungen, wie das 1987 beschlossene Verbot den Ozonschicht abbauenden Stoff FCKW zu verwenden, führten zu globalen Verbesserungen. Das Ozonloch wird seit Jahren kleiner, die endgültige Schließung wird in 30 Jahren erwartet. Initiativen, wie das erste Carsharing Projekt ‘stadt-Auto’ von 1988, verändern unseren Alltag bis heute. 2009 wurde die erste ökologische Suchmaschine Ecosia gegründet. 2014 öffnete der erste Unverpacktladen. 2018 fingen wir an, für Klimagerechtigkeit zu demonstrieren. 2019 rief das Europäische Parlament den Klimanotstand aus. 2030 stiegen wir aus dem Kohleabbau aus. Viele kleine Schritte transformierten die Welt.
Die Hersteller hatten ein Reparaturmonopol geschaffen. Wir kauften Dinge, ohne sie richtig zu besitzen, denn öffnen, reparieren und nach eigenem Ermessen verändern konnten wir ihr Eigentum nicht. Um gegen dieses Monopol und die Wegwerfwirtschaft zu rebellieren, begannen wir, sich deren Objekte anzunehmen, sie zu zerlegen. Wir fingen an, uns die Objekte anzuverwandeln. Mit Reparaturhandbüchern für jedes bekannte Technikprodukt hat iFixit dazu beigetragen. Millionen von Menschen verwenden heute diese Anleitungen, um ihre Geräte selbst zu reparieren. Sie sparen Geld und sorgen dafür, dass alles länger hält. Vielleicht sogar so lange, wie die älteste Glühbirne der Welt. Sie brennt seit 137 Jahren.
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Es gab jene, die den Kopf in den Sand steckten, jene die mutig voranschritten und jene die nicht ganz wussten, an was sie glauben sollten. Die Hoffnungsvollen schritten voran, aus Überzeugung etwas in der Welt bewirken zu können. Entscheidend war ihr Glaube an eine lebenswertere Zukunft. Sie dachten an all die vorausgegangenen Krisen, die die Menschheit bewältigt hatte, sie dachten an Unmögliches, das möglich gemacht wurde. Sie erkannten die Chancen, die diese Krisen bereit hielten, wenn man sie nur ergreife.
Während der Industrialisierung arbeiteten wir 60h die Woche, 2020 waren es durchschnittlich nur noch 34,5h, heute im Jahre 2040 sind wir bei 20h Erwerbsarbeitszeit, und 20h marktfreier Versorgungszeit. Als wir angefangen haben zu arbeiten, war das noch anders. Wir können uns gut daran erinnern, nicht genug Zeit für Freunde, Familie und Gemeinschaft zu haben. Wenn wir abends heimkamen, waren wir müde. Das Wochenende bestand nur aus zwei Tagen, was gerade so reichte, um sich von der anstrengenden Woche zu erholen. Die Menschen machten sich stark für mehr lebenswerte Zeit. Marktfreie Zeit, über die sie selbst verfügen können.
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Das goldene Resonanz-Zeitalter
Heute, im Jahr 2040, befinden wir uns im goldenen Resonanz-Zeitalter. Wir leben enkeltauglich, gemeinschaftlich, selbstwirksam und zeitsouverän. Was sind deiner Meinung nach die einflussreichsten Entwicklungen oder die wichtigsten Veränderungen, die uns aus den Krisen hierhin gebracht haben? Was haben die Politik, die Wirtschaft und unser tägliches Verhalten zu dieser Verbesserung beigetragen?
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Hier endet die virtuelle Ausstellung
Vielleicht konnten wir dich ein bisschen in unseren damaligen Zeitgeist hineinversetzen, denn es ist nicht selbstverständlich, dass wir heute gemeinsam ein gutes, enkeltaugliches Leben führen können. Deswegen möchten wir allen Menschen danken, die den Mut nicht verloren und voller Tatendrang und Optimismus Stück für Stück etwas bewegt haben. Wir möchten euch aber auch um Verzeihung bitten, denn wir waren viel zu lange abgelenkt, müde, manipuliert, übersättigt, fehlgeleitet und desorientiert.
Die Zukunft liegt in unseren Händen.
Linda und Louisa
Kontakt
Hi, wir sind Louisa und Linda. Diese Ausstellung ist unsere Bachelorarbeit in Kommunikationsdesign.
Sie ist Anfang 2020 an der Fakultät Gestaltung Würzburg entstanden und wurde von Prof. Christoph Barth und Dr. Judith-Frederike Popp betreut. Konzipiert ist sie als mobile Ausstellung, hier kannst du sie digital betrachten. Wir freuen uns über Fragen und Kontakt!
Arbeitsprozess
Diese mobile Ausstellung wurde so nachhaltig wie möglich gestaltet. Fast alle Materialien und Hilfsmittel konnten wir gebraucht kaufen oder abholen. Die recycelten Latten, Holzplatten, sowie die Stoffe dürfen wir dank einer Kooperation mit dem Kulturgewächshaus Fürth verwenden. Vielen Dank für eure Unterstützung!
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Louisa Wolf
Landolfstraße 21, 67661 Kaiserslauten
louisa-wolf[at]posteo.de
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